Back to the Future Architecture Summer School –

Ein Rückblick mit Aussicht

Von Andreas Maierhofer

Der Geschmack von kaltem Bier liegt in der warmen Sommerabendluft, eine Mischung aus Zigarettenrauch, Schweiß und zeitweise leichter Verzweiflung gesellt sich unaufdringlich dazu und der Südtirolerplatz bleibt durch den Schein aus dem Haus der Architektur bis spät in die Nacht hinein hell erleuchtet. Es ist Summer School in Graz.

Doch spulen wir sechs Monate zurück: Februar 2018, Ljubljana, Museum of Architecture and Design (MAO), Future Architecture Conference. Ein Team vom HDA Graz hört und netzwerkt sich, zusammen mit den sechs Summer-School-AssistentInnen, drei Tage durch Vorträge und After-Partys von und mit verschiedensten jungen Architekturbüros aus aller Welt, die dem Call for Ideas der Future Architecture Platform gefolgt sind. Zehn dieser aufstrebenden ArchitektInnen werden schließlich, zusammen mit 25 StudentInnen aus neun verschiedenen europäischen Ländern, eingeladen, um fünf periphere Bezirke der Stadt Graz architektonisch zu bearbeiten. Mit der Zusammen- bzw. Auseinandersetzung von zwei ArchitektInnen aus zwei völlig unterschiedlichen Büros als KursleiterInnen sowie der Durchmischung von lokalen und internationalen Studierenden entstehen fünf zu- und ineinander völlig heterogene Gruppen, die gänzlich neue Potenziale ermöglichen und nie gedachte, ja teilweise radikale Ideen hervorbringen.

Work-Life-Balance: Zwei Wochen „all inclusive“

Mit der Anreise am Sonntag, den 26. August beginnt für die so bunt gemischte Gruppe der 25 Studierenden – die aus Portugal, Großbritannien, Italien, Deutschland, Österreich, Polen, Ukraine, Bosnien & Herzegowina, Weißrussland und Moldawien kommen – zwei Wochen, die nicht nur Arbeit bedeuten. Angefangen bei frischem Kaffee, Kuchen und Obst an jedem frühen Morgen, über gemeinsame Mittagessen, kollektives Fachsimpeln bei Bier, Spritzer oder Eistee an jedem Abend, um dann danach bis in die Morgenstunden weiter am Projekt zu feilen, bis hin zu einem Wochenende dazwischen, das ganz dem architektonischen Abschalten und gleichzeitig dem Kennenlernen von Graz und Umgebung gewidmet ist. Das Leben außerhalb der Summer-School-„Familie“ wirkt wie ausgeblendet, beinahe unvorstellbar. Hingabe, Begeisterung und Herzensblut von Studierenden sowie TutorInnen finden sich ohne Zweifel in den Projekten wieder, die trotz der knappen Zeit sehr detailliert und durchdacht ausgearbeitet werden.

Von schreibenden Maschinen, spielerischem Surrealismus und utopischer Nostalgie

 „Desperate Houselives – Ideas for peri-urban areas“ – unter diesem Titel versuchen die fünf Gruppen, bestehend aus TutorInnen, ortskundigen Studierenden als AssistentInnen und vier weiteren Gast-StudentInnen, architektonische Lösungen für fünf ausgewählte Randbezirke von Graz zu finden. Wer Lösungen sucht, muss erstmal das Problem finden: Wie können Liebenau, Gösting, Wetzelsdorf, Straßgang und Puntigam architektonisch sowie sozial überhaupt aufgewertet und verbessert werden? So entstehen, entsprechend der hohen Diversität der einzelnen TeilnehmerInnen, fünf gänzlich verschiedene, jedoch in ihrer Form schlüssige Vorschläge für die Suburbs von Graz, die durch teilweise sehr unterschiedliche Herangehensweisen entwickelt werden.

Neben klassischen Ortsbegehungen oder Gesprächen mit AnrainerInnen gibt es beispielsweise im Team Straßgang – unter der Leitung von Lera Samovich von fala atelier, Benedict Esche von Kollektiv A und Elena Karpilova von der Architectural Thinking School for Children – auch den surrealistischen Zugang des „Found Object“, wobei sich die Gruppe mit sehr einfachen, trivialen Alltagsgegenständen – gefunden im Bezirk – auseinandersetzt und als ästhetischen Ansatz für die Entwicklung ihrer architektonischen Intervention verwendet. „Exquisite Corpse“ zeigt eine Sammlung von neu geschaffenen, architektonischen Objekten, die einen Hauch von Postmoderne nach Straßgang bringen.

„Imprinting Identity“ bringt wiederum einen Gebäudetypus nach Liebenau, der schon 1345 in Bologna funktionierte: den Portikus. Unabhängig von Funktion und Standort funktioniert der Portikus als unendlich adaptierbares Modul, um die offensichtlich fehlenden öffentlichen Räume und Kommunikationsflächen im Bezirk zu bilden. Zur direkten Kommunikation entwickelt das Team rund um Elena Chiavi und Francisco Moura Veiga von CARTHA sowie Francisco Fonseca von SKREI eine mobile Druckmaschine für temporäre „Straßennachrichten“.

Nachdem in Gösting „eh alles gut ist, wie es ist“, aber öffentlicher Raum doch fehlt und die den Bezirk begrenzende Natur – zum einen die Mur und zum anderen der Wald am Plabutsch – den größten Anziehungspunkt darstellt, entwirft das Team von Ibai Rigby von Parallel Sprawl, ganz nach dem Motto „Go b(r)i(d)g(e) or go home!“, drei lineare Megastrukturen in Form von Do-it-yourself-Brücken. Die Module des „Public Shelf“ sollen Raum für all jene soziale Funktionen schaffen, die bis dahin in Gösting nicht möglich oder vorhanden sind. Gleichzeitig kann es eine „Maschine“ zur Erzeugung von Nahrung und Strom sein sowie als natürlicher Korridor für alle BewohnerInnen von Gösting funktionieren.

Akupunkterell arbeitet die Gruppe um Therese Leick von TAB Collective und Akil Scafe-Smith von RESOLVE, die sich Wetzelsdorf angenommen hat. „Gestures“ sind eine Reihe von architektonischen Gesten bzw. Interventionen, die nicht vorschreibend und bindend, sondern vielmehr hinweisend und exemplarisch wirken. Neben der Neuinterpretation von existierenden Räumen und der Wiederbelebung von scheinbaren Restflächen durch vermeintlich willkürlich gesetzte, bauliche Stichpunkte will man dem Bezirk zu neuem Charme verhelfen.

„Can you imagine?“ – eine Frage, die sich das Team von Stefano Tornierei von Babau Bureau und Samuele Squassabia bzw. Tao Baerlocher von Studiospazio in den zwei Wochen Summer School oft gestellt hat. „Infraçade“ ist die Antwort. Ein öffentlicher Raum, in dem FußgängerInnen und RadfahrerInnen sich neben bereits bestehender Infrastruktur unabhängig und gefahrenlos auf verschiedenen Levels bewegen können. Ein Fassadenraster, das sich problemlos an alle Gebäudeformen, das es säumt, anfügen und ebenso als Maschine Energie erzeugen kann. Das Projekt lässt, ähnlich dem „Public Shelf“, Erinnerungen an utopische Träume der 1960er Jahre wach werden.

Am Ende von zwei Wochen harter Arbeit, wenig Schlaf, jedoch umso mehr Spaß und vor allem Lerneffekt für alle TeilnehmerInnen, kann eine wunderschöne Ausstellung eröffnet werden, die beinahe noch facettenreicher als ihre GestalterInnen oder die bearbeiteten Bezirke wirkt. Hello, Future Architecture – die Aussicht ist gut!

Alle Projekte im Detail und noch mehr zur Future Architecture Summer School 2018 sind im zugehörigen Booklet, erhältlich im HDA und auf der Homepage, nachlesen. Zahlreiche Fotos geben zudem Einblick in die intensiven zwei Wochen.

Von Andreas Maierhofer

Der Geschmack von kaltem Bier liegt in der warmen Sommerabendluft, eine Mischung aus Zigarettenrauch, Schweiß und zeitweise leichter Verzweiflung gesellt sich unaufdringlich dazu und der Südtirolerplatz bleibt durch den Schein aus dem Haus der Architektur bis spät in die Nacht hinein hell erleuchtet. Es ist Summer School in Graz.

Doch spulen wir sechs Monate zurück: Februar 2018, Ljubljana, Museum of Architecture and Design (MAO), Future Architecture Conference. Ein Team vom HDA Graz hört und netzwerkt sich, zusammen mit den sechs Summer-School-AssistentInnen, drei Tage durch Vorträge und After-Partys von und mit verschiedensten jungen Architekturbüros aus aller Welt, die dem Call for Ideas der Future Architecture Platform gefolgt sind. Zehn dieser aufstrebenden ArchitektInnen werden schließlich, zusammen mit 25 StudentInnen aus neun verschiedenen europäischen Ländern, eingeladen, um fünf periphere Bezirke der Stadt Graz architektonisch zu bearbeiten. Mit der Zusammen- bzw. Auseinandersetzung von zwei ArchitektInnen aus zwei völlig unterschiedlichen Büros als KursleiterInnen sowie der Durchmischung von lokalen und internationalen Studierenden entstehen fünf zu- und ineinander völlig heterogene Gruppen, die gänzlich neue Potenziale ermöglichen und nie gedachte, ja teilweise radikale Ideen hervorbringen.

Work-Life-Balance: Zwei Wochen „all inclusive“

Mit der Anreise am Sonntag, den 26. August beginnt für die so bunt gemischte Gruppe der 25 Studierenden – die aus Portugal, Großbritannien, Italien, Deutschland, Österreich, Polen, Ukraine, Bosnien & Herzegowina, Weißrussland und Moldawien kommen – zwei Wochen, die nicht nur Arbeit bedeuten. Angefangen bei frischem Kaffee, Kuchen und Obst an jedem frühen Morgen, über gemeinsame Mittagessen, kollektives Fachsimpeln bei Bier, Spritzer oder Eistee an jedem Abend, um dann danach bis in die Morgenstunden weiter am Projekt zu feilen, bis hin zu einem Wochenende dazwischen, das ganz dem architektonischen Abschalten und gleichzeitig dem Kennenlernen von Graz und Umgebung gewidmet ist. Das Leben außerhalb der Summer-School-„Familie“ wirkt wie ausgeblendet, beinahe unvorstellbar. Hingabe, Begeisterung und Herzensblut von Studierenden sowie TutorInnen finden sich ohne Zweifel in den Projekten wieder, die trotz der knappen Zeit sehr detailliert und durchdacht ausgearbeitet werden.

Von schreibenden Maschinen, spielerischem Surrealismus und utopischer Nostalgie

 „Desperate Houselives – Ideas for peri-urban areas“ – unter diesem Titel versuchen die fünf Gruppen, bestehend aus TutorInnen, ortskundigen Studierenden als AssistentInnen und vier weiteren Gast-StudentInnen, architektonische Lösungen für fünf ausgewählte Randbezirke von Graz zu finden. Wer Lösungen sucht, muss erstmal das Problem finden: Wie können Liebenau, Gösting, Wetzelsdorf, Straßgang und Puntigam architektonisch sowie sozial überhaupt aufgewertet und verbessert werden? So entstehen, entsprechend der hohen Diversität der einzelnen TeilnehmerInnen, fünf gänzlich verschiedene, jedoch in ihrer Form schlüssige Vorschläge für die Suburbs von Graz, die durch teilweise sehr unterschiedliche Herangehensweisen entwickelt werden.

Neben klassischen Ortsbegehungen oder Gesprächen mit AnrainerInnen gibt es beispielsweise im Team Straßgang – unter der Leitung von Lera Samovich von fala atelier, Benedict Esche von Kollektiv A und Elena Karpilova von der Architectural Thinking School for Children – auch den surrealistischen Zugang des „Found Object“, wobei sich die Gruppe mit sehr einfachen, trivialen Alltagsgegenständen – gefunden im Bezirk – auseinandersetzt und als ästhetischen Ansatz für die Entwicklung ihrer architektonischen Intervention verwendet. „Exquisite Corpse“ zeigt eine Sammlung von neu geschaffenen, architektonischen Objekten, die einen Hauch von Postmoderne nach Straßgang bringen.

„Imprinting Identity“ bringt wiederum einen Gebäudetypus nach Liebenau, der schon 1345 in Bologna funktionierte: den Portikus. Unabhängig von Funktion und Standort funktioniert der Portikus als unendlich adaptierbares Modul, um die offensichtlich fehlenden öffentlichen Räume und Kommunikationsflächen im Bezirk zu bilden. Zur direkten Kommunikation entwickelt das Team rund um Elena Chiavi und Francisco Moura Veiga von CARTHA sowie Francisco Fonseca von SKREI eine mobile Druckmaschine für temporäre „Straßennachrichten“.

Nachdem in Gösting „eh alles gut ist, wie es ist“, aber öffentlicher Raum doch fehlt und die den Bezirk begrenzende Natur – zum einen die Mur und zum anderen der Wald am Plabutsch – den größten Anziehungspunkt darstellt, entwirft das Team von Ibai Rigby von Parallel Sprawl, ganz nach dem Motto „Go b(r)i(d)g(e) or go home!“, drei lineare Megastrukturen in Form von Do-it-yourself-Brücken. Die Module des „Public Shelf“ sollen Raum für all jene soziale Funktionen schaffen, die bis dahin in Gösting nicht möglich oder vorhanden sind. Gleichzeitig kann es eine „Maschine“ zur Erzeugung von Nahrung und Strom sein sowie als natürlicher Korridor für alle BewohnerInnen von Gösting funktionieren.

Akupunkterell arbeitet die Gruppe um Therese Leick von TAB Collective und Akil Scafe-Smith von RESOLVE, die sich Wetzelsdorf angenommen hat. „Gestures“ sind eine Reihe von architektonischen Gesten bzw. Interventionen, die nicht vorschreibend und bindend, sondern vielmehr hinweisend und exemplarisch wirken. Neben der Neuinterpretation von existierenden Räumen und der Wiederbelebung von scheinbaren Restflächen durch vermeintlich willkürlich gesetzte, bauliche Stichpunkte will man dem Bezirk zu neuem Charme verhelfen.

„Can you imagine?“ – eine Frage, die sich das Team von Stefano Tornierei von Babau Bureau und Samuele Squassabia bzw. Tao Baerlocher von Studiospazio in den zwei Wochen Summer School oft gestellt hat. „Infraçade“ ist die Antwort. Ein öffentlicher Raum, in dem FußgängerInnen und RadfahrerInnen sich neben bereits bestehender Infrastruktur unabhängig und gefahrenlos auf verschiedenen Levels bewegen können. Ein Fassadenraster, das sich problemlos an alle Gebäudeformen, das es säumt, anfügen und ebenso als Maschine Energie erzeugen kann. Das Projekt lässt, ähnlich dem „Public Shelf“, Erinnerungen an utopische Träume der 1960er Jahre wach werden.

Am Ende von zwei Wochen harter Arbeit, wenig Schlaf, jedoch umso mehr Spaß und vor allem Lerneffekt für alle TeilnehmerInnen, kann eine wunderschöne Ausstellung eröffnet werden, die beinahe noch facettenreicher als ihre GestalterInnen oder die bearbeiteten Bezirke wirkt. Hello, Future Architecture – die Aussicht ist gut!

Alle Projekte im Detail und noch mehr zur Future Architecture Summer School 2018 sind im zugehörigen Booklet, erhältlich im HDA und auf der Homepage, nachlesen. Zahlreiche Fotos geben zudem Einblick in die intensiven zwei Wochen.