Kameradin Conrade

Von Wenzel Mraček

Kunstwerke im öffentlichen Raum und ein umfangreiches Rahmenprogramm handeln von Demokratie und Frieden gegenüber dem Untersuchungsfeld Conrad-von-Hötzendorf-Straße

Eine interessante Koinzidenz allemal: Während die Präsentation von COMRADE CONRADE gerade stattgefunden hatte, bemerkt der Grazer Bürgermeister anlässlich des avisierten Baubeginns eines 75 Meter hohen Hotel- und Büroturms (The Rock) nah dem Liebenauer Stadion einmal mehr, er „hätte gerne eine Skyline in Graz“ und „die ganze Conrad-von-Hötzendorf-Straße wird eine Businessstraße. Die Nachfrage von [sic.] Infrastruktur ist in der Stadt enorm“ (Kleine Zeitung, 20.09.18). Mutmaßlich klopfen Investoren an der Tür des Ressortleiters der Stadtbaudirektion, des Stadtplanungsamtes sowie des Büros für Frieden und Entwicklung. Gegenüber Fragen um erschwinglichen Wohnraum respektive Adaptierung bestehender Objekte gibt er sich vergleichsweise zurückhaltend.

Mit ihrer Eröffnungsperformance Und sie hörte nicht auf, bis sie sich totgelacht hatte kratzt dagegen die Grazer Künstlerin Maruša Sagadin an eben diesem Thema. Karikierende Kostüme bezeichnen die markanten Architekturen der Stadthalle, des Styria Media Centers und den im Bau befindlichen Campus der Merkur Versicherung. Während einer Promenade in diesem Bereich der CvH-Straße, zieht Sagadin eine Audiobox an der Leine hinter sich her, aus der eine Textkomposition schallt. Angelehnt an Werbeslogans, geht es um städtebauliche Aspekte wie die Nutzung öffentlichen Raums, (Ver-)Sicherung von Wohnraum, Brandings, Eventisierung und Gentrifizierung des Stadtteils. Nochmals wird die Performance zu Ende der Außenpräsentation am 29. September gegeben.

Ein nun schon mehrjähriges „Kunst-, Forschungs- und Friedensprojekt“ unter dem Titel Comrade Conrade geht aus einer Initiative der Grazer Künstlerin und Theoretikerin Nicole Pruckermayr hervor, die dafür das Institut für Kunst im öffentlichen Raum, die Akademie Graz, den Verein für Zeitgeschichte Clio, das Institut für Kulturanthropologie an der Uni Graz und etliche weitere KooperationspartnerInnen gewinnen konnte. Über den Projektzeitraum 2016 bis 2019 wird nach interdisziplinären Methoden mittels Recherche, Workshops, Diskussionen und Stadtspaziergängen und nicht zuletzt Kunstwerken im öffentlichen Raum ein Bereich um die Conrad-von-Hötzendorf-Straße auf historische, gegenwärtige und künftige Umstände befragt und analysiert. Quasi ein pars pro toto damit, das von „Demokratie und Frieden auf der Straße“ handelt, in einer konkreten Gesellschaft also, für die die CvH-Straße zur Allegorie wird.

Kern dieses Engagements waren freilich die vor wenigen Jahren vergeblichen Bestrebungen einer Umbenennung der Straße. Bis 1935 noch als Äußere Jakoministraße bezeichnet, wurde sie in der Zeit des Ständestaates nach jenem Feldmarschall und Generalsstabschef benannt, der fraglos maßgeblich am Ausbruch des Ersten Weltkrieges beteiligt war, sich zuvor schon – vergeblich – für Präventivschläge gegen Italien und Serbien ausgesprochen hatte, der für brutale Kriegsführung und Übergriffe an Zivilisten verantwortlich war. Fragte man insofern danach, wie „zeitgemäß“ der Straßenname ist, käme das wohl einem Euphemismus gleich.

Nur ein weiterer Aspekt in Pruckermayrs Überlegungen ist die in Graz weit überwiegende Benennung von Straßen und Plätzen nach Männern. Dem entgegnet man mit der weiblichen Form CONRADE im Projekttitel.

Auf besagte Umstände reagieren Künstlerinnen und Künstler im abermals als Diskussionsfeld zu betrachtenden öffentlichen Raum. Am Ort sportlicher Auseinandersetzungen, ausgangs der Ulrich-Lichtenstein-Gasse, auf dem Stadion-Vorplatz in Liebenau, hat Johanna Titzl den Schriftzug Immer wieder die Waffen nieder! aufgebracht. In den Farben des SK Sturm Graz werden damit in einer Verbindung des Fan-Rufes und des Romantitels (1889) der Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner Fußball, Fankultur, De- und Eskalation thematisiert. Und zwar an dem Ort, der seit einem Jahr offiziell Bertha-von-Suttner-Platz heißt, aber bisher nicht beschildert ist.

Reni Hofmüller hat sinnbildlich einen RESONANZRAUM eingerichtet. Bestimmte Pflanzen haben die Eigenschaft, Giftstoffe und Schwermetalle aus dem Boden zu ziehen. Sonnenblumen etwa „reinigen“ Areale entlang Reininghaus- und CvH-Straße.

Mexico war der einzige Staat, der 1938 vor dem Völkerbund formellen Protest gegen den Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland einbrachte. Mit ihrer Installation MEXIKANISCHER TUMULUS am Ostbahnhof verbinden Nayari Castillo und Hanns Holger Rutz Graz und Mexico-City per Audio-Live-Stream in Erinnerung an eine Kolonie deutschsprachiger Exilanten während der Zeit des Nationalsozialismus.

Ebenfalls nah dem Ostbahnhof hat Eva Ursprung eine Leuchtschrift angebracht. WAR IS OVER erinnert freilich an John Lennons und Yoko Onos Kampagne gegen den Vietnamkrieg im Jahr 1969. Ursprungs Behauptung aber richtet sich an Menschen, die, durch ihre passive Haltung und vermeintliche Machtlosigkeit, militärischen Auseinandersetzungen nicht opponieren.

Mit einer Plakataktion und in Heften publizierten, fiktiven Erzählungen behandeln Sir Meisi (Ruby Sircar und Wolfgang Meisinger) unter anderem hegemoniale Männlichkeit am Beispiel der CvH-Straße.

Am 29. September, ab 15 Uhr findet als Finissage noch einmal ein Rundgang zu den Kunstprojekten statt. Treffpunkt: Bertha-von-Suttner-Platz (Schleife Stadion Liebenau)

Von Wenzel Mraček

Kunstwerke im öffentlichen Raum und ein umfangreiches Rahmenprogramm handeln von Demokratie und Frieden gegenüber dem Untersuchungsfeld Conrad-von-Hötzendorf-Straße

Eine interessante Koinzidenz allemal: Während die Präsentation von COMRADE CONRADE gerade stattgefunden hatte, bemerkt der Grazer Bürgermeister anlässlich des avisierten Baubeginns eines 75 Meter hohen Hotel- und Büroturms (The Rock) nah dem Liebenauer Stadion einmal mehr, er „hätte gerne eine Skyline in Graz“ und „die ganze Conrad-von-Hötzendorf-Straße wird eine Businessstraße. Die Nachfrage von [sic.] Infrastruktur ist in der Stadt enorm“ (Kleine Zeitung, 20.09.18). Mutmaßlich klopfen Investoren an der Tür des Ressortleiters der Stadtbaudirektion, des Stadtplanungsamtes sowie des Büros für Frieden und Entwicklung. Gegenüber Fragen um erschwinglichen Wohnraum respektive Adaptierung bestehender Objekte gibt er sich vergleichsweise zurückhaltend.

Mit ihrer Eröffnungsperformance Und sie hörte nicht auf, bis sie sich totgelacht hatte kratzt dagegen die Grazer Künstlerin Maruša Sagadin an eben diesem Thema. Karikierende Kostüme bezeichnen die markanten Architekturen der Stadthalle, des Styria Media Centers und den im Bau befindlichen Campus der Merkur Versicherung. Während einer Promenade in diesem Bereich der CvH-Straße, zieht Sagadin eine Audiobox an der Leine hinter sich her, aus der eine Textkomposition schallt. Angelehnt an Werbeslogans, geht es um städtebauliche Aspekte wie die Nutzung öffentlichen Raums, (Ver-)Sicherung von Wohnraum, Brandings, Eventisierung und Gentrifizierung des Stadtteils. Nochmals wird die Performance zu Ende der Außenpräsentation am 29. September gegeben.

Ein nun schon mehrjähriges „Kunst-, Forschungs- und Friedensprojekt“ unter dem Titel Comrade Conrade geht aus einer Initiative der Grazer Künstlerin und Theoretikerin Nicole Pruckermayr hervor, die dafür das Institut für Kunst im öffentlichen Raum, die Akademie Graz, den Verein für Zeitgeschichte Clio, das Institut für Kulturanthropologie an der Uni Graz und etliche weitere KooperationspartnerInnen gewinnen konnte. Über den Projektzeitraum 2016 bis 2019 wird nach interdisziplinären Methoden mittels Recherche, Workshops, Diskussionen und Stadtspaziergängen und nicht zuletzt Kunstwerken im öffentlichen Raum ein Bereich um die Conrad-von-Hötzendorf-Straße auf historische, gegenwärtige und künftige Umstände befragt und analysiert. Quasi ein pars pro toto damit, das von „Demokratie und Frieden auf der Straße“ handelt, in einer konkreten Gesellschaft also, für die die CvH-Straße zur Allegorie wird.

Kern dieses Engagements waren freilich die vor wenigen Jahren vergeblichen Bestrebungen einer Umbenennung der Straße. Bis 1935 noch als Äußere Jakoministraße bezeichnet, wurde sie in der Zeit des Ständestaates nach jenem Feldmarschall und Generalsstabschef benannt, der fraglos maßgeblich am Ausbruch des Ersten Weltkrieges beteiligt war, sich zuvor schon – vergeblich – für Präventivschläge gegen Italien und Serbien ausgesprochen hatte, der für brutale Kriegsführung und Übergriffe an Zivilisten verantwortlich war. Fragte man insofern danach, wie „zeitgemäß“ der Straßenname ist, käme das wohl einem Euphemismus gleich.

Nur ein weiterer Aspekt in Pruckermayrs Überlegungen ist die in Graz weit überwiegende Benennung von Straßen und Plätzen nach Männern. Dem entgegnet man mit der weiblichen Form CONRADE im Projekttitel.

Auf besagte Umstände reagieren Künstlerinnen und Künstler im abermals als Diskussionsfeld zu betrachtenden öffentlichen Raum. Am Ort sportlicher Auseinandersetzungen, ausgangs der Ulrich-Lichtenstein-Gasse, auf dem Stadion-Vorplatz in Liebenau, hat Johanna Titzl den Schriftzug Immer wieder die Waffen nieder! aufgebracht. In den Farben des SK Sturm Graz werden damit in einer Verbindung des Fan-Rufes und des Romantitels (1889) der Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner Fußball, Fankultur, De- und Eskalation thematisiert. Und zwar an dem Ort, der seit einem Jahr offiziell Bertha-von-Suttner-Platz heißt, aber bisher nicht beschildert ist.

Reni Hofmüller hat sinnbildlich einen RESONANZRAUM eingerichtet. Bestimmte Pflanzen haben die Eigenschaft, Giftstoffe und Schwermetalle aus dem Boden zu ziehen. Sonnenblumen etwa „reinigen“ Areale entlang Reininghaus- und CvH-Straße.

Mexico war der einzige Staat, der 1938 vor dem Völkerbund formellen Protest gegen den Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland einbrachte. Mit ihrer Installation MEXIKANISCHER TUMULUS am Ostbahnhof verbinden Nayari Castillo und Hanns Holger Rutz Graz und Mexico-City per Audio-Live-Stream in Erinnerung an eine Kolonie deutschsprachiger Exilanten während der Zeit des Nationalsozialismus.

Ebenfalls nah dem Ostbahnhof hat Eva Ursprung eine Leuchtschrift angebracht. WAR IS OVER erinnert freilich an John Lennons und Yoko Onos Kampagne gegen den Vietnamkrieg im Jahr 1969. Ursprungs Behauptung aber richtet sich an Menschen, die, durch ihre passive Haltung und vermeintliche Machtlosigkeit, militärischen Auseinandersetzungen nicht opponieren.

Mit einer Plakataktion und in Heften publizierten, fiktiven Erzählungen behandeln Sir Meisi (Ruby Sircar und Wolfgang Meisinger) unter anderem hegemoniale Männlichkeit am Beispiel der CvH-Straße.

Am 29. September, ab 15 Uhr findet als Finissage noch einmal ein Rundgang zu den Kunstprojekten statt. Treffpunkt: Bertha-von-Suttner-Platz (Schleife Stadion Liebenau)